MUSEUM DES MONATS | SEPTEMBER 2022

Ausgezeichnet: Stadtmuseum im Kulturzentrum Haus Catoir

Das Stadtmuseum Bad Dürkheim verfügt nach dem Historischen Museum der Pfalz in Speyer über die umfangreichste archäologische Sammlung der Pfalz. Die Objekte aus der Zeit der Kelten, Römer und Franken stammen größtenteils von Fundstätten auf dem Stadtgebiet. Ein reich ausgestattetes Fürstengrab sowie der bisher einzigartige Fund eines Signalhorns zeugen von der Bedeutung des Ortes in keltischer Zeit. Vom römischen Leben erzählen die Funde vom Gutshof am Weilberg, wo sich Reste einer Kelteranlage gefunden hatten. Und der Spangenhelm eines Gefolgsmannes von Chlodwig I. ist ein eindrucksvoller Beleg für die zentrale Rolle des Ortes bei der fränkischen Landnahme.

Die Dauerausstellung verfolgt die Entwicklung der Stadt Bad Dürkheim von den Anfängen bis heute anhand markanter Monumente, entscheidender historischer Ereignisse und bedeutender Persönlichkeiten. Zu erwähnen sind insbesondere das auf der Gemarkung Bad Dürkheim liegende Kloster Limburg, ein Prestigeobjekt des ersten salischen Kaisers, und die Hardenburg, die wie keine andere Burg für den Aufstieg und Fall des Leiningischen Adelsgeschlechts steht. Über das Mitte des 19. Jahrhunderts aufblühende Salinen- und Kurwesen, welches den hiesigen Tourismus bis heute prägt, bis hin zur über 2000 Jahre währenden, aber dafür höchst lebendigen Tradition des Weinbaus rund um Bad Dürkheim und an der Deutschen Weinstraße führt die Ausstellung schließlich in die Gegenwart.

Finanziert durch die Stadt konnte 2012 mit der Integration eines Nachbargebäudes die Ausstellungsfläche des Museums auf rund 800 Quadratmeter erweitert und das Anwesen barrierefrei erschlossen werden. Das Museum organisiert jährlich mindestens zwei Sonderausstellungen und begleitend Veranstaltungen wie museumspädagogische Aktionen in der Offenen Werkstatt, Konzerte, Lesungen und dergleichen. Das Haus Catoir fungiert als städtisches Kulturzentrum und beherbergt neben dem Stadtmuseum zudem Stadtbücherei, Musikschule, Volkshochschule und die „Offene Kreativ-Werkstatt“, alle institutionell zusammengefasst im „Kulturzentrum Haus Catoir“.


Geöffnet: Dienstag bis Sonntag, 14:00–17:00 Uhr
Webseite Stadtmuseum Bad Dürkheim


 

Schwerpunkt Demokratiegeschichte

Am 27. Mai 1832 kamen im Hambacher Schloss etwa 25.000 Menschen zu einem Fest zusammen, auf dem sich Männer und Frauen gemeinsam für ihre Grundrechte stark machten und nationale Einheit und Demokratie forderten. Das sogenannte Hambacher Fest sollte als wichtiger Tag der Demokratiebewegung in die Geschichtsbücher eingehen.

Als Kantonsvorort war Dürkheim, was allgemein weniger bekannt ist, zentraler historischer Schauplatz rund um die Ereignisse des Hambacher Fests. Die einmalige zeitgenössische Sammlung, die in Teilen im Stadtmuseum Bad Dürkheim zu sehen ist, belegt dies eindrucksvoll. Mit der „Dürkheimer Winzerfahne“ verfügt das Museum dabei sogar über eines der symbolträchtigsten Zeugnisse des Fests. Aber auch Flugblätter, Druckschriften, Karrikaturen, ein Hambacher Tuch, eine Freischärlerkappe oder Porträts von wichtigen Akteuren werden hier ausgestellt. Der geschlossene Komplex stellt aus Sicht der Forschung eine wertvolle Quelle für die Ereignisse rund um das Hambacher Fest dar und zeichnet auch die darauffolgenden Ereignisse bis zur Revolution 1848/49 nach. Einige weitere bislang noch ungesichtete Konvolute, etwa aus Familiennachlässen, liegen noch im Depot und warten darauf, entdeckt zu werden!

Sammlung rund ums Hambacher Fest im Rahmen von Pilotprojekt digitalisiert

Im Rahmen einer Förderung durch das Ministerium für Familie, Frauen, Kultur und Integration des Landes Rheinland-Pfalz war es dem Stadtmuseum Bad Dürkheim in Zusammenarbeit mit der Museumsgesellschaft möglich, einen bedeutenden Bestand seiner Sammlung rund um das Hambacher Fest umfassend aufzuarbeiten und unter dem Titel „Biedermeier – zwischen Restauration, Hambacher Fest und Vormärz“ auf der Digitalisierungsplattform „Museum Digital“ zu veröffentlichen. Gefördert wurde das Projekt als Pilotprojekt Digitalisierung aus der Förderung für nichtstaatliche Museen der Landesregierung Rheinland-Pfalz.

Die Inventarisierung der Objekte stellt einen zentralen Baustein für die Vorbereitungen des 200. Jubiläums des Hambacher Festes im Jahr 2032 dar. Die Stadt wird dieses zentralen Ereignisses mit einer Sonderausstellung zum Hambacher Fest und den politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Prozessen zwischen 1815 und 1848, die den Deutschen Bund und insbesondere die Pfalz nachhaltig geprägt haben, gedenken. Dabei handelt es sich um eine Zeit, die zwischen politischer Restauration und liberaler Opposition, zwischen bildungsbürgerlichem Biedermeier und der Forderung nach nationaler Einheit und Demokratie oszillierte.


Pilotprojekt Digitalisierung des Landes Rheinland-Pfalz: Digitalisierung der „Sammlung Biedermeier“ | Blog Museum Digital


Sammlung „Biedermeier – zwischen Restauration, Hambacher Fest und Vormärz“ in Museum Digital


 

Auseinandersetzung mit der Geschichte angesichts gesellschaftlicher Entwicklungen aktueller denn je ...

Derzeit werden angesichts tagesaktueller gesellschaftlicher Entwicklungen immer wieder Parallelen zu der Zeit um 1832 gezogen. Im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie wurde etwa während des ersten Lockdowns 2020 der Begriff des „Corona-Biedermeier“ (Stephan Grünewald in einem Zeit-Interview vom 15. August 2020) geprägt. „Biedermeier“ bezeichnet dabei sowohl die Zeitspanne von 1815 bis 1848, die mit politisch restaurativen Tendenzen einherging, als auch eine bürgerliche Strömung, die durch den Rückzug ins Private und eine Hinwendung zu Kunst und Kultur charakterisiert war.

Das Hambacher Fest und der historische Ort stehen darüber hinaus bis heute als Freiheitssymbol und Ort der Demokratiegeschichte im Zentrum des kollektiven Erinnerns, sie fallen aber auch immer wieder der Vereinnahmung durch Demokratiefeinde zum Opfer: Etwa wenn rechtspolitische Akteur*innen an historischer Stätte unter dem Namen Neues Hambacher Fest ebenfalls an die Tradition des Hambacher Fests von 1832 anknüpfen. Oder wenn es, wie beim diesjährigen Demokratiefest geschehen, rund ums Hambacher Schloss zum Eklat kommt, als rund 2.500 weiß gekleidete Personen aus dem Querdenker-Spektrum antidemokratische Symbole hochhalten, Festteilnehmer*innen beleidigen und von der Teilnahme abhalten. Das Ringen um Erinnerungskultur und Deutungshoheit in der Geschichte zeigt, wie aktuell die Auseinandersetzung mit diesem Abschnitt der deutschen Geschichte einmal mehr ist.

Seit 150 Jahren ehrenamtlich engagiert: Museumsgesellschaft Bad Dürkheim

Getragen wird das Stadtmuseum vom großen Engagement der Museumsgesellschaft Bad Dürkheim, die aus dem 1872 gegründeten Altertumsverein hervorgegangen ist und eine umfangreiche stadtgeschichtliche Sammlung pflegt. In Kooperation mit der Stadt macht der Verein, als einer der ältesten in der Pfalz, bereits seit 150 Jahren seine Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich.

Darüber hinaus schultert er die Digitalisierung der mehr als 50.000 Objekte umfassenden Sammlung auf ehrenamtlicher Basis. Unzählige Stunden haben sich allen voran Hans-Günter Förster, der auch zeitweilig Leiter der Arbeitsgruppe Digitalisierung am Museumsverband Rheinland-Pfalz war, Ulrich Knöller und Dr. Michael Ochse für das Digitalisierungsprojekt engagiert. Für dieses besondere ehrenamtliche Engagement erhielten die Museumsgesellschaft und das Stadtmuseum 2021 den mit 5.000 Euro dotierten Ehrenamtspreis der Versicherungskammer-Stiftung.

Bei der Suche nach einem Ehrenamt ist Hans-Günter Förster auf das Projekt gestoßen, bei dem aus seiner Sicht zwei Welten aufeinandergetroffen seien. Ein Großteil der Sammlungen habe im Depot geschlummert, nun könne man vielen Menschen und insbesondere auch jüngeren Leuten einen niederschwelligen Zugang zu vielen Schätzen ermöglichen. Die Arbeit ist längst nicht beendet, in Kürze allerdings soll das 20.000 Objekt inventarisiert werden. Davon sind bislang knapp 4.600 Objekte öffentlich zugänglich über die Digitalisierungsplattform rlp.museum-digital.de.


 

Was ist die Auszeichnung „Museum des Monats“?

Die Auszeichnung „Museum des Monats“, die mit 1.000 Euro dotiert ist, wird im August 2022 das erste Mal vom Ministerium für Familie, Frauen, Kultur und Integration Rheinland-Pfalz ausgelobt. Nach den Herausforderungen der letzten beiden Jahre, mit denen sich die Museen angesichts der Corona-Pandemie konfrontiert sahen, stellt sie eine Anerkennung der schwierigen Situation im Kulturbereich und zugleich eine Würdigung qualitätvoller Museumsarbeit dar.

Ziel ist es, landesweit die Museumsarbeit kleiner und mittelgroßer Museen in den Fokus zu rücken. Ausgezeichnet werden Museen, die sich mit gelungenen Ausstellungsprojekten z. B. zur Orts-, Regional- oder Landesgeschichte, mit innovativen Vermittlungsideen, interessanten digitalen Angeboten, erfolgreichen Partizipationsprojekten, gelungenen Maßnahmen zur Umsetzung der Barrierefreiheit, außergewöhnlichem gesellschaftlichen Engagement, beispielhaften Projekten zum Sammlungserhalt oder zur Sammlungserschließung oder bemerkenswerten Projekten generationenübergreifenden bürgerschaftlichen Engagements hervortun.

Der Museumsverband Rheinland-Pfalz trifft eine Vorauswahl aus den mit Projektfördermitteln des Landes Rheinland-Pfalz unterstützten nichtstaatlichen Museen. Die Mindestanforderungen an ein Museum müssen erfüllt sein. Alle ausgezeichneten Museen im Überblick gibt es auf der Webseite des Museumsverbands Rheinland-Pfalz: Museumsverband Rheinland-Pfalz | Museum des Monats (museumsverband-rlp.de)