Als deutschlandweit einziges Museum seiner Art bewahrt das Terra-Sigillata-Museum Rheinzabern die Geschichte des römischen Töpferorts „Tabernae“, einst größtes Keramikproduktionszentrum nördlich der Alpen, für die Nachwelt und vermittelt dabei anschaulich Herstellung, Vertrieb und Handel des vor Ort hergestellten hochqualitativen Tafelgeschirrs, der sogenannten Terra Sigillata.
Aufgrund seiner vielfältigen museumspädagogischen Angebote ist das archäologische Museum ein beliebter außerschulischer Lernort in der Region und durch lokale Kooperationen bestens vernetzt. In den letzten Jahren setzte der Trägerverein „Terra-Sigillata-Museum Rheinzabern e.V.“ zudem gezielt auf Projekte der Digitalisierung des vor Ort bewahrten kulturellen Erbes. Teile der Sammlung sind seitdem für interessierte Laien wie für Forschungseinrichtungen gleichermaßen digital zugänglich. Das Terra-Sigillata-Museum erhält für sein vielfältiges analoges und digitales Vermittlungsangebot mit regionalem Bezug und überregionaler Strahlkraft vom Kulturministerium Rheinland-Pfalz die Auszeichnung „Museum des Monats“ Juli 2023.
Gegründet zwischen 10 und 20 n. Chr. als einfache Raststätte an der römischen Fernstraße, entwickelte sich „Tabernae“ (Rheinzabern) im 2. und 3. Jahrhundert zum größten Keramikproduktionszentrum nördlich der Alpen. Möglich machten das ausreichende Rohstoffvorkommen, ideale Transportmöglichkeiten durch die Anbindung an den Rhein und die römische Fernstraße, eine funktionierende Infrastruktur zur Versorgung der Bevölkerung sowie vorhandenes Know-how durch Fachpersonal. Selbst nach heutigen Gesichtspunkten waren Herstellung, Vertrieb und Handel erstaunlich modern organisiert!
In der Hauptphase der Terra-Sigillata-Produktion wurden im heutigen Rheinzabern enorme Mengen des rotglänzenden Geschirrs hergestellt. Mit einem Produktionsvolumen von über 1 Million Gefäßen pro Jahr fand das Geschirr in den Nordwest-Provinzen des römischen Reichs von Britannien bis an die Krim reißenden Absatz. Nirgendwo sonst wurde nördlich der Alpen Terra Sigillata in dieser Größenordnung hergestellt: Bei Ausgrabungen fand man das Geschirr in nahezu allen militärischen Einrichtungen und zivilen Siedlungen entlang der römischen Grenzen. Dieser einzigartigen Fundsituation ist es zu verdanken, dass Rheinzabern mit seiner Terra Sigillata noch heute wissenschaftlich von Bedeutung ist.
Die im Museum präsentierten Fundstücke stammen aus den umfangreichen archäologischen Ausgrabungen vor Ort. Sie illustrieren die komplexe Herstellung des Tafelgeschirrs ebenso wie das tägliche Leben der Menschen im Töpferort an der römischen Fernstraße. Dabei spannt sich der zeitliche Bogen der Produktion vom 1. Jahrhundert n. Chr. bis ins 4. und frühe 5. Jahrhundert.
Der Schwerpunkt der Dauerausstellung liegt auf der Herstellungstechnik der Terra Sigillata mit ihrem geheimnisvollen und technisch anspruchsvollen Glanztonüberzug. Exemplarisch werden außerdem Grundrisse, Arbeitsweise und Werkzeuge der inzwischen über 400 namentlich bekannten Terra-Sigillata-Werkstätten vorgestellt. Ergänzt wird die Ausstellung um eine Teilrekonstruktion eines Töpferofens, der die Produktion des besonderen roten Geschirrs hautnah erfahrbar macht. In einer Außenstelle im Kindergarten „Faustina“ sind darüber hinaus zwei originale Brennöfen zu sehen, die bei archäologischen Ausgrabungen am ursprünglichen römischen Standort erhalten werden konnten.
Gäste erfahren im Terra-Sigillata-Museum alles Wissenswertes über die Keramikproduktion im römischen „Tabernae“ und ganz nebenbei öffnet sich ihnen auch die römische Welt: Mit Dekorationen verzierte Bilderschüsseln erzählen von Göttern und Sagengestalten, von halsbrecherischen Wagenrennen und Alltagsszenen aus längst vergangenen Zeiten. Tiere werden lebendig, Pflanzen und Früchte ranken den Betrachtenden entgegen und Ornamente laden zum Entdecken ein. Auch zahlreiche Mitmach-Stationen zum Alltag in der Römerzeit laden dazu ein, Geschichte mit allen Sinnen zu erkunden. Dabei kommen Besucherinnen und Besucher den Menschen, die einst in Rheinzabern lebten, durch die Jahrtausende näher.
Auch Kinderferienprogramme, Kindergeburtstage und besondere Mitmach-Aktionen wenden sich speziell an die jungen Museumsgäste. In buchbaren Workshops können über alle Altersstufen hinweg Kinder und Familien, Schulklassen oder Erwachsene selbst Hand an den Ton legen und wie einst die Römer Öllampen, Reliefschalen oder Medaillons töpfern. Führungen im Museum und bei den Brennöfen, Vorträge zur Archäologie und Heimatgeschichte sowie wechselnde Sonderausstellungen, zuletzt etwa „Veni vidi Playmobil“, ergänzen das Angebot.
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Das Terra-Sigillata-Museum setzt zur Bewahrung des kulturellen Erbes gezielt auf Digitalisierung: 50 „Lieblingsobjekte“ aus der Dauerausstellung sind mit ausführlichen Beschreibungen und detaillierten Bildern online auf der Digitalisierungsplattform „museum-digital.de“ verfügbar:
50 römische „Lieblingsobjekte“ – Terra-Sigillata-Museum Rheinzabern digital
Auch 150 nicht ausgestellte Objekte aus der Sammlung sind digital zugänglich. Sie sind unter der Bezeichnung „Sammlung Adam Winter“ veröffentlicht und geben Einblicke in die Rekonstruktion von Terra Sigillata und in die Technik des Glanztonüberzugs:
Nachlass Adam Winter: Rekonstruktion von Terra Sigillata und der Technik des Glanztonüberzugs
Das Museum wird mit viel Engagement vom Verein „Terra-Sigillata-Museum Rheinzabern e.V.“ betrieben. 1977 initiierte der Verein eine erste Ausstellung, um die Ergebnisse der umfangreichen Ausgrabungen vor Ort für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Einrichtung eines dauerhaften Museums folgte 1978. Seither wurde das Museum stets weiterentwickelt: Nach einer erfolgreichen Spenden-Aktion konnte das Museum etwa 2006/2007 mit Förderung durch das damalige Ministerium für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur sowie den Museumsverband neugestaltet und mit Hilfe der Ortsgemeinde Rheinzabern räumlich erweitert werden. Auf 320 qm Ausstellungsfläche erfahren Museumsgäste seither Wissenswertes über die Römer in der Südpfalz und die Erfolgsgeschichte der Terra Sigillata.
Die Mitglieder des Trägervereins engagieren sich in sämtlichen Bereichen der Museumsarbeit ehrenamtlich: Sie gewährleisten den Museumsbetrieb, leisten Vermittlungsarbeit über alle Altersklassen hinweg, unterstützen fachlich, bilden Museumsführer aus, inventarisieren, leisten technischen Support, betreiben Öffentlichkeitsarbeit und richten Feste und Aktionstage aus. Seit Dezember 2022 werden sie dabei dank des Förderprojekts „Zukunft durch Kultur“ von einer hauptamtlichen Museumsleitung unterstützt. Gefördert wurde die Stelle vom Ministerium für Familie, Frauen, Kultur und Integration Rheinland-Pfalz, der Stiftung der Sparkasse Südpfalz sowie dem Landkreis Germersheim.
Vielfältige Angebote in der Museumspädagogik machen das Museum zu einem beliebten außerschulischen Lernort. Dabei hat es für Schulen in der ganzen Pfalz und im angrenzenden Baden Anziehungskraft: Das Arbeiten mit dem Werkstoff Ton begeistert alle Altersstufen. Ein umfangreiches Kinderferienprogramm, Kindergeburtstage und besondere Mitmach-Aktionen wenden sich ebenfalls speziell an die jungen Museumsgäste. Auch für die „älteren“ Zielgruppen ist garantiert etwas Passendes dabei: Ehrenamtliche Kräfte geben versierte Führungen, organisieren bunte Museumsfeste und entwickeln immer wieder neue Angebote gemeinsam mit örtlichen Akteuren – mit der lokalen Gastronomie wurde bspw. das Kooperationsprojekt „Artes Cenandi et Visitandi“ entwickelt, eine Kombination aus römisch inspiriertem Essen und Museumsführung. Ein breites Angebot an wissenschaftlichen Vorträgen zur Archäologie und Heimatgeschichte rundet das Programm ab.
In den letzten Jahren setzt das Terra-Sigillata-Museum zudem gezielt auf Projekte der Digitalisierung: So wurden zwei Pilotprojekte zur digitalen Inventarisierung mit Förderung durch die Stiftung Rheinland-Pfalz für Kultur, des Corona-Förderprogramms „Im Fokus - 6 Punkte für die Kultur“ des Landes Rheinland-Pfalz und durch das Ministerium für Familie, Frauen, Kultur und Integration Rheinland-Pfalz umgesetzt. Dabei standen zum einen 50 römische „Lieblingsobjekte“ der Dauerausstellung im Fokus, die nun mit ausführlichen Beschreibungen und detaillierten Bildern online verfügbar sind. Zum anderen wurden nicht ausgestellte Bestände der Sammlung für interessierte Laien wie für Forschungsinstitutionen gleichermaßen digital zugänglich gemacht: 150 Objekte der „Sammlung Adam Winter“, die sich mit der Rekonstruktion von Terra Sigillata und der Technik des Glanztonüberzugs beschäftigen, wurden digitalisiert. Sie machen die Forschung zu diesem Thema greifbar und geben Einblicke in die Komplexität der antiken Keramik.
Für die Zukunft ist geplant, auch vor Ort digitale Inhalte bedarfsgerecht in der Dauerausstellung einzusetzen, das Terra-Sigillata-Museum als Lern- und Erlebnisort (barrierefrei) weiterzuentwickeln und lokale Kooperationen, die bereits zahlreich initiiert wurden, zu intensivieren. Nicht zuletzt nimmt der Trägerverein ab September 2023 am Change Management-Projekt des Museumsverbands Rheinland-Pfalz „WIM – Wandel im Museum“ teil, um das Museum fit für die Zukunft zu machen und sich den Herausforderungen zu stellen, die die Vereinsarbeit mit sich bringt – allen voran dem anstehenden Generationenwechsel.
Die Auszeichnung „Museum des Monats“, die mit 1.000 Euro dotiert ist, wird seit August 2022 vom Ministerium für Familie, Frauen, Kultur und Integration Rheinland-Pfalz ausgelobt. Sie stellt eine Anerkennung der schwierigen Situation im Kulturbereich und zugleich eine Würdigung qualitätvoller Museumsarbeit dar.
Ziel ist es, landesweit die Museumsarbeit kleiner und mittelgroßer Museen in den Fokus zu rücken. Ausgezeichnet werden Museen, die sich mit gelungenen Ausstellungsprojekten z. B. zur Orts-, Regional- oder Landesgeschichte, mit innovativen Vermittlungsideen, interessanten digitalen Angeboten, erfolgreichen Partizipationsprojekten, gelungenen Maßnahmen zur Umsetzung der Barrierefreiheit, außergewöhnlichem gesellschaftlichen Engagement, beispielhaften Projekten zum Sammlungserhalt oder zur Sammlungserschließung oder bemerkenswerten Projekten generationenübergreifenden bürgerschaftlichen Engagements hervortun.
Der Museumsverband Rheinland-Pfalz trifft eine Vorauswahl aus den mit Projektfördermitteln des Landes Rheinland-Pfalz unterstützten nichtstaatlichen Museen. Die Mindestanforderungen an ein Museum müssen erfüllt sein. Alle ausgezeichneten Museen im Überblick gibt es auf der Webseite des Museumsverbands Rheinland-Pfalz:
Museumsverband Rheinland-Pfalz | Museum des Monats (museumsverband-rlp.de)