MUSEUM DES MONATS | JANUAR 2024

Vom Kulturministerium ausgezeichnet: Museum am Strom – Hildegard von Bingen

Unmittelbar am Eingang zum UNESCO-Welterbe Oberes Mittelrheintal lädt das Museum am Strom zu faszinierenden Begegnungen mit 2000 Jahren Kultur und Geschichte am Rhein ein: Dauer- und Sonderausstellungen zu Hildegard von Bingen, der Rheinromantik und Stadtgeschichte von den Römern bis heute präsentieren sich vor der herrlichen Kulisse des Binger Lochs im historischen Elektrizitätswerk von 1898. Eine archäologische Sensation stellt das 67 Instrumente umfassende „Binger Ärztebesteck“ aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. dar – der weltweit größte Fund zur antiken Medizin. 2023 feierte das Museum am Strom sein 25 jähriges Bestehen.

Das Museum ist von 02.01. bis 29.02.2024 samstags und sonntags von 10–17 Uhr geöffnet. Ab 1.03.2024 gelten wieder die regulären Öffnungszeiten von Dienstag bis Sonntag, 10–17 Uhr.

Hildegard von Bingen: Prophetin, Feministin, Superstar?

Hildegard begeistert die Menschen seit über 900 Jahren – und dabei hat noch jede Zeit etwas Neues an der Prophetin vom Rupertsberg entdeckt. Doch wer war die Binger Visionärin wirklich, die erst 2012 aufgrund ihres umfangreichen Werkes zur Kirchenlehrerin der katholischen Kirche erhoben wurde – als vierte Frau weltweit in 2000 Jahren?

Dem Mittelalter galt sie als Künderin vom nahen Weltenende. Die Humanisten feierten Hildegard als erste große Frau der Literaturgeschichte. In der Reformationszeit berief man sich gerne auf Hildegard, weil sie in drastischen Worten Missstände in der Papstkirche beklagt hatte. Die Romantiker schufen aus mancher Wundergeschichte das Bild von der „Volksheiligen“. Seit dem Industriezeitalter schließlich ist die ganzheitliche „Hildegard-Medizin“ als sanfte Alternative zur Apparate-Medizin populär. In den USA, Australien und Japan wiederum ist sie vor allem als bedeutende Komponistin bekannt. Und heute? ... gilt Hildegard vielen als Vorkämpferin für die Emanzipation der Frau und dank ihres ganzheitlichen Blicks auf die Schöpfung als wertvolle Orientierungshilfe im Umgang mit dem Klimawandel.

Bingen am Rhein war die wichtigste Wirkungsstätte der Heiligen Hildegard. Im Binger Historischen Museum am Strom bemüht man sich deshalb darum, Hildegards Biografie umfassend zu erforschen, ihr Leben und Wirken unter den Rahmenbedingungen des 12. Jahrhunderts zu verstehen und dem Publikum möglichst plastisch zu vermitteln. In einer informativen und multimedial aufbereiteten Ausstellung wird die Prophetin und Politikerin, Komponistin, Kirchenlehrerin und Naturkundlerin konsequent auf der Grundlage historischer Forschungsergebnisse zum Leben erweckt – und zugleich die spannende Vielfalt von unterschiedlichen Blicken auf die stets umstrittene Heilige präsentiert. Wertvolle Objekte, Erstdrucke und Modelle vermitteln ein authentisches Bild der Äbtissin vom Binger Kloster Rupertsberg. Multimedia-Installationen, eine aufwändige grafische Gestaltung und mehrere Mitmach-Objekte für Groß und Klein sorgen dafür, dass die lehrreiche Zeitreise ins Mittelalter auch zum Erlebnis für die ganze Familie wird.

2.000 Jahre Stadtgeschichte von den Römern bis heute

Unter dem Motto „Bingen - ein Brückenschlag durch zwei Jahrtausende“ steht die stadtgeschichtliche Ausstellung: Vier Brücken an vier unterschiedlichen Standorten an den Flüssen Rhein und Nahe dokumentieren die besondere verkehrsgeschichtliche Lage Bingens, die zu allen Zeiten die Entwicklung der Stadt bestimmte. Als Modelle bilden die Brücken auch ein optisches Leitmotiv der Ausstellung und führen zu den zahleichen Originalobjekten aus zwei Jahrtausenden Stadtgeschichte.

Den Auftakt bildet die Römer-Abteilung. Die archäologische Sammlung in der Römerabteilung des Museums am Strom geht überwiegend auf reiche und bedeutsame Funde aus über 150 Gräbern zurück. Die beeindruckenden Überreste aus der Vergangenheit vermitteln den Museumsgästen einen plastischen Eindruck von Wirtschaft, Hausbau, Mode, Schmuck sowie Religion und ermöglichen einen Streifzug durch das Alltagsleben vor 2.000 Jahren.

Weltweit einmalig ist ein chirurgisches Instrumentarium aus dem 2. Jahrhundert nach Christus, das 1925 im Grab eines Mediziners entdeckt wurde. Beim sogenannten „Binger Ärztebesteck“ handelt sich mit 66 Gegenständen um den umfangreichsten zusammengehörigen Satz antiker medizinischer Instrumente, der bis heute gefunden wurde.

Die Abteilung Mittelalter zeigt Handel und Wandel in der blühenden Hafenstadt am Rhein; ein rekonstruierter Kachelofen von 1400 und ein Modell des Alten Krans zählen zu den Top-Objekten der Schau. Das neuzeitliche Bingen wird mit zahlreichen Gemälden und Dokumenten, aber auch durch die technischen Errungenschaften des 19. Jahrhunderts vom Hochrad bis zur Feuerspritze Anno 1850 vorgestellt.


Stadthistorische Objekte in Museum-digital entdecken


 

Dauerausstellung Rheinromantik: Auf den Spuren der ersten Rheinreisenden

Das Museum am Strom vermittelt einen Einblick in die künstlerische Auseinandersetzung der Romantiker mit den Schönheiten der Rheinlandschaft bei Bingen. In drei Erlebnisräumen, die mit Originalmobiliar des 19. Jahrhunderts ausgestattet sind, erschließt sich das Lebensgefühl dieser Zeit. Als Orientierungshilfe für Rheinreisende entstanden gedruckte Werke sowie großformatige Stiche, deren Nachfrage mit der Vermehrung des Rheintourismus durch Dampferschifffahrt und Eisenbahn stieg. Der Markt boomte für praktische Reisebegleiter und verschiedenste Souvenirs mit Rheinmotiven. Im Mittelpunkt der Dauerausstellung zur Rheinromantik stehen unterschiedlich Ansichten von Bingen, hergestellt mit zeittypischen Verfahren der Druckgrafik (Kupferstich, Aquatinta, Lithografie, Stahlstich).


Museum am Strom virtuell besuchen


Besonderer Tipp: Museumspädagogisches Angebot für Familien, Schulklassen & Menschen mit Beeinträchtigungen

Hallo, mein Name ist Conrad, ich bin der Mittelalterexperte aus dem Museum am Strom und möchte mich erst einmal kurz bei dir vorstellen: Ich bin 10 Jahre alt und ein „waschechter“ Binger Bub. Mein Vater ist Fährmann und rudert mit einem kleinen Boot Fahrgäste für Geld über die Nahe. Mit meinen Eltern und meinen Geschwistern, wohne ich in einem kleinen Haus an der Stadtmauer. Bei uns ist das Geld oft knapp, deshalb arbeitet meine Mutter bei einer Weberin und fertigt dort Stoffe. Meine Geschwister und ich sind deshalb viel alleine, dann streunen wir durch die Stadt oder wir spielen oder knobeln. Für kleine und große Knobel-Fans habe ich mir deshalb bei uns im Museum einiges einfallen lassen. Hier erfahrt ihr mehr über das Mittelalter und Hildegard von Bingen. Oder ihr macht eine Rallye entlang des Hildegardwegs.


Mit Conrad, dem kleinen Museumsexperten, durch's Museum


 

Das Museum am Strom versteht sich nicht nur als ein Ort des Bewahrens, Sammelns und Forschens, sondern auch als Stätte außerschulischen Lernens. Die anschauliche und lebendige Vermittlung von Kultur und Geschichte steht im Zentrum der Arbeit. Das Museum bietet Schulklassen und Kindergruppen unterschiedliche Veranstaltungsprogramme zu den einzelnen Schwerpunkten des Museums. Das Programmangebot reicht von Führungen über eine Museumsrallye hin zu Workshops mit praktischem Arbeiten in der hauseigenen Erlebniswerkstatt.


Museumspädagogische Angebote für Schul- und Kindergruppen


 

Dem Museum am Strom ermöglicht Menschen mit Beeinträchtigung einen interaktiven und barrierefreien Besuch und ist barrierefrei zertifiziert nach Reisen für Alle. Unter dem Motto “Das Museum mit allen Sinnen erleben“ bietet es ein an individuelle Bedürfnisse angepasstes Führungsangebot. Das Angebot richtet sich sowohl an Kinder und Jugendliche als auch an Erwachsene. Eine Führung in Leichter Sprache wird dabei mit einem speziellen Hands-On-Angebot kombiniert, sodass der Ausflug ins Museum zu einem besonderen Erlebnis wird.


Barrierefrei durch's Museum: Angebote für Menschen mit Beeinträchtigungen


Reisen für Alle - Museum am Strom (reisen-fuer-alle.de)


HINTERGRUNDINFORMATION

Museum am Strom - Hildegard von Bingen

Anlässlich des 900. Geburtstags Hildegard von Bingens wurde im Jahre 1998 das prachtvolle alte Elektrizitätswerk am Binger Rheinufer in das „Historische Museum am Strom – Hildegard von Bingen“ umgewandelt. Seither kommen Gäste aus aller Welt, um sich über Leben und Werk der großen Visionärin zu informieren. Das Museum am Strom mit dem angeschlossenen Stadtarchiv versteht sich zudem als Forschungsstelle zu den Themen „Hildegard von Bingen“, „Rheinromantik“, „Geschichte des UNESCO-Welterbes Oberes Mittelrheintal“ sowie „Stadtgeschichte Bingen“. 2023 feierte das Museum am Strom sein 25 jähriges Bestehen.

Das Museumsgebäude verkörpert mit seiner denkmalgeschützten repräsentativen Architektur von 1898 die gründerzeitliche Technik-Begeisterung und gleicht mit der großen Maschinenhalle, den neogotischen Fenstern und der kühnen Deckenkonstruktion einer „Kathedrale des Fortschritts“. Noch heute ist das industrielle Erbe des Gebäudes deutlich ablesbar. So wurde etwa der Lastenaufzug aus dem Jahr 1917 in eine Ausstellungshalle integriert. Es markiert den westlichen Eckpfeiler der bis Aschaffenburg reichenden überregionalen Initiative „Route der Industriekultur Rhein-Main“ und bietet eine Ausstellungsfläche von ca. 750 qm, die vollständig barrierefrei erschlossen ist. Ein 200 qm großer Bereich für Wechselausstellungen und eine Erlebniswerkstatt für museumspädagogische Programme erweitern das Angebot.

Mit der musealen Erschließung der Überreste des Klosters Rupertsberg, die für den Tourismuspreis 2023 nominiert war, ist eine Außenstelle des Museums am Strom entstanden, deren Anbindung an das „Haupthaus“ derzeit durch neuartige Führungs- und Vermittlungsmedien mit Audioguide etc. ausgebaut wird. Auch die Neukonzeption der Daueraustellung zur „Rheinromantik“ sowie der stadtgeschichtlichen Abteilung soll anlässlich der BUGA 2029 in Angriff genommen werden. Aktuell ist außerdem eine neue Biografie Hildegards von Bingen in Arbeit. Für 2025 ist darüber hinaus ein neuartiges Ausstellungsformat „Sommerausstellung statt Sonderausstellung“ geplant, das die klimatisierten Räume des Museums als Dritten Ort für (älteres) heimisches Publikum in heißen Sommern mit interaktiven Verweilangeboten bespielen soll.

Was ist die Auszeichnung „Museum des Monats“?

Die Auszeichnung „Museum des Monats“ ist mit 1.000 Euro dotiert und wird seit August 2022 vom Ministerium für Familie, Frauen, Kultur und Integration Rheinland-Pfalz ausgelobt. Sie hat zum Ziel, die Museumsarbeit vor allem kleiner und mittelgroßer Museen landesweit in den Fokus rücken. Ausgezeichnet werden Museen, die sich mit gelungenen Ausstellungsprojekten zur Orts-, Regional- oder Landesgeschichte, mit innovativen Vermittlungsideen, interessanten digitalen Angeboten, erfolgreichen Partizipationsprojekten, gelungenen Maßnahmen zur Umsetzung der Barrierefreiheit, außergewöhnlichem gesellschaftlichem Engagement, beispielhaften Projekten zum Sammlungserhalt oder zur Sammlungserschließung oder bemerkenswerten Projekten generationenübergreifenden bürgerschaftlichen Engagements hervortun. Unterstützt wird das Kulturministerium bei der Auswahl Auszeichnungen vom Museumsverband Rheinland-Pfalz. Alle ausgezeichneten Museen im Überblick gibt es auf der Webseite des Museumsverbands Rheinland-Pfalz:


Museumsverband Rheinland-Pfalz | Museum des Monats (museumsverband-rlp.de)