In einer Tunnelanlage von knapp 20 Kilometern Länge verbarg sich unter malerischen Rotweinbergen zwischen Ahrweiler und Dernau einst das geheimste Bauwerk der Bundesrepublik Deutschland. Sein offizieller Name lautete „Ausweichsitz der Verfassungsorgane der Bundesrepublik Deutschland in Krise und Krieg“ – kurz: „Regierungsbunker“. Hier sollten im Kriegsfall die wichtigsten Mitglieder der deutschen Regierung, einschließlich Bundeskanzler, in Sicherheit gebracht werden, um hinter atombombensicheren Toren das Land weiter regieren zu können. Glücklicherweise trat bis zur Schießung des Regierungsbunkers im Jahr 1997 der Ernstfall nie ein. 2009 wurde der Bunker zum europäischen Kulturerbe erklärt.
„Alle zwei Jahre zogen 3.000 Regierungsmitglieder für zwei Wochen in den Bunker ein und übten den Ernstfall. Von der Telefonistin bis zum Wachmann, vom Minister bis zum Staatssekretär, alle waren dabei. Lediglich der Bundeskanzler und der Bundespräsident ließen sich übungshalber durch einen Kanzler-Üb und Präsidenten-Üb, also Kanzler-Übungshalber und Präsidenten-Übungshalber, vertreten. Oft übernahmen andere hochrangige Politiker ihre Vertretung“, erzählt Heike Hollunder, die Museumsleiterin. „Der Bunker war jederzeit einsatzbereit. Rund um die Uhr arbeiteten 180 Mitarbeiter im Schichtdienst und warteten alle Geräte und Systeme. Die Regierung hätte im Notfall innerhalb weniger Stunden hier einziehen können und für einen Monat Lebensmittel, Medikamente und Strom zur Verfügung gehabt.“
2008 wurde dieses bundesweit einmalige Zeitzeugnis vergangener Tage seiner neuen Bestimmung übergeben: Der ehemalige Regierungsbunker im Ahrtal, dessen Planungen bis in die 1950er-Jahre zurückreichten, öffnete seine Tore für die Öffentlichkeit. 203 Meter der ehemaligen Anlage stehen den Besucher*innen derzeit offen und laden Jung und Alt aus aller Welt ein, im Rahmen einer ca. 1,5-stündigen Bunker-Führung in die unterirdische Welt, die zuvor strengster Geheimhaltung unterlag, einzutauchen. Zu sehen sind Umgehungsschleusen und Dekontaminationsräume, ehemalige Arbeitsräume wie das Präsidialamt, die Türsteuerungs-, Kommunikations- und Elektrozentrale, Wohn- und Schlafräume, Waschräume und Küche sowie Sanitäreinrichtungen.
Eine umfangreiche Dokumentation und viele Originalgegenstände am Originalschauplatz informieren über ein Kapitel deutscher Geschichte, das während der Zeit des Kalten Krieges Teil der weltweiten gegenseitigen Abschreckung der Atommächte in Ost und West war. Diese unterirdische Welt erlangt nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine eine seit der Abrüstung der Atommächte nie gekannte Aktualität: Sowohl die Medien als auch Besucher*innen vor Ort interessieren sich verstärkt für atomsichere Bunkeranlagen und das Thema Zivilschutzbauten. Bei jeder Führung kommt nun die Frage, ob man den Regierungsbunker wieder aktivieren könne.
Viele Originalobjekte kamen seit der Eröffnung des Regierungsbunkers wieder an ihren angestammten Platz zurück. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik etwa hat die originalen Fernschreiber zurückgegeben, das THW Betten oder Spinde und die örtliche AKNZ (heute BABZ), Bundesakademie für Bevölkerungsschutz und zivile Verteidigung, eine Telefonzelle aus dem Regierungsbunker sowie riesige Kaffeemaschinen und Elektrokarren, die nach der Aufgabe des Bunkers in ihren Besitz übergegangen waren.
Der WDR unterstütze das Museum mit der Leihgabe einer baugleichen Fernsehkamera aus dem Fernsehstudio. Und die Original-Friseurstube des Bunkers kehrte 2013 aus dem Deutschen Historischen Museum in Berlin an ihren angestammten Platz zwischen der Schlafstätte des Bundespräsidenten und seiner Suite zurück. Dem Museum war sie im Zuge der Auflösung des Bunkers von der Bunkerverwaltung für seine Sammlung zum Thema Kalter Krieg angeboten worden. Erst 2021 kam schließlich ein Sofa aus der Bundespräsidentensuite zurück. Ein ehemaliger Mitarbeiter der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben hatte es nach dem Rückbau der Anlage käuflich erworben.
Ein Museumsbesuch muss nicht langweilig sein. Eine Besichtigung des ehemaligen Regierungsbunkers ist genau das Richtige für einen spannenden Nachmittag: Eltern und Kinder, Großeltern und Enkel, Tante und Neffe, die Familienführung richtet sich an alle, die Spaß an einer Entdeckungstour durch das Museum des Kalten Krieges haben. Im Mittelpunkt stehen hier die Jüngsten ab dem Grundschulalter, die eine besondere Betreuung erfahren, sodass sich auch ihnen der Bunker, seine Bauweise und das Leben im Inneren erschließen. Im Gepäck der begleitenden Bunkerexpert*innen befindet sich ein Koffer voller Originalobjekte zum Anfassen und Bestaunen. Die Führung findet jeden ersten Sonntag im Monat (ab April) um 12:00 Uhr statt.
Darüber hinaus gibt es ein breit gefächertes Programm für Gruppen und Individualbesucher. Seit dieser Saison bietet der Bunker zusätzlich zu den regelmäßigen Führungen für Einzelbesucher (innerhalb der Besuchersaison samstags und sonntags sowie an Feiertagen in der Zeit von 10:00 –16:30 Uhr) ein spannendes Sonderprogramm an – dieses reicht von Abendführungen mit einem Zeitzeugen, der bei einem Glas Bunkerwein durch die Anlage führt, über Taschenlampenführungen oder Teamevents zum Thema „TOP SPION – TOP SECRET“ bis hin zu einer Tour, die unter dem Titel „Verschlusssache Geheim – Streng geheim“ seit Juni 2022 in bisher nicht einsehbare Bereiche des Regierungsbunkers führt, etwa in Abluftstollen und alte Schlafräume.
Voraussichtlich ab Herbst 2022 ist eine große dreistündige Tunneltour buchbar, in deren Rahmen die zurückgebauten Teile des Regierungsbunkers, unter anderem der Kabinettsaal, der Bereich des Bundeskanzlers und des Gemeinsamen Ausschusses sowie weitere technische Bereiche besichtigt werden können. Geplant ist die Tour als Taschenlampenführung durch den östlichen Teil des Regierungsbunkers, durch die Tunnel unterirdisch von Ahrweiler bis nach Marienthal. Darüber hinaus sind Konzerte und Theateraufführungen mit Blick in den zurückgebauten Tunnel in Planung.
Der Heimatverein Alt-Ahrweiler e.V. ist ein gemeinnütziger Verein und Träger der Dokumentationsstätte Regierungsbunker. Eigentümerin ist die BImA, die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben. Florian Mausbach, ehemaliger Präsident des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (früher Bundesbaudirektion, die am Bau des Regierungsbunkers beteiligt war), hatte sich vor dem Rückbau der Anlage dafür eingesetzt, dass ein Teilstück von 203 Metern für die Nachwelt erhalten bleibt. Mausbach suchte in der Folge einen Träger für ein „Museum des Kalten Krieges“. Nachdem Bund, Land, Kreis und Stadt eine Übernahme abgelehnt hatten, kam man 2004 auf den Heimatverein zu.
Der Vertrag zwischen dem Heimatverein und der BImA wurde am 20. Oktober 2005 unterschrieben. Erste Planungen gingen von 50 Besucher*innen pro Woche und einer Öffnung alle zwei Wochen aus. Das erste Museumsjahr 2008 brachte statt der erwarteten 2.600 Besucher*innen allerdings 84.000 Besucher*innen, darunter auch Bundespräsident Horst Köhler. Das Museumsteam umfasst insgesamt 60 Mitarbeiter*innen, davon 40 Gästeführer*innen. Der Vorstand des Heimatvereins arbeitet ehrenamtlich. Alle erwirtschafteten Gelder fließen in die Anlage zurück. Mit den Gewinnen wurde ein Neubau mit sanitären Anlagen und Gastronomie realisiert, der 2019 eröffnet wurde.
Die Besucherzahlen hielten sich seit der Eröffnung konstant bei 75.000 bis 80.000 Besucher*innen. Lediglich im ersten Coronajahr 2020 sind die Besucherzahlen auf 27.000 Besucher*innen zurückgefallen und im Flutjahr 2021 sogar auf 8.000. Der Regierungsbunker war nicht von der Flut betroffen. Er liegt 63 Meter über der Ahr. Auch die Zuwegung war immer frei. Nachdem die Wasserversorgung wieder stand, öffnete das Museum bereits im September 2021, zwei Monate nach der Flut, wieder seine Tore: „Zunächst ohne Strom, nur mit Taschenlampen, später bekamen wir ein Aggregat, das vom Deutschen Roten Kreuz betrieben wurde. Im September kamen rund 700, im Oktober bereits 2.000 Besucher*innen. Wir wollten ein Zeichen der Hoffnung setzen und es war auch wichtig, uns selbst zu motivieren, nach den Monaten der Schließung durch Corona“, erklärt Museumsleiterin Heike Hollunder.
Die Auszeichnung „Museum des Monats“, die mit 1.000 Euro dotiert ist, wird im August 2022 das erste Mal vom Ministerium für Familie, Frauen, Kultur und Integration Rheinland-Pfalz ausgelobt. Nach den Herausforderungen der letzten beiden Jahre, mit denen sich die Museen angesichts der Corona-Pandemie konfrontiert sahen, stellt sie eine Anerkennung der schwierigen Situation im Kulturbereich und zugleich eine Würdigung qualitätvoller Museumsarbeit dar.
Ziel ist es, landesweit die Museumsarbeit kleiner und mittelgroßer Museen in den Fokus zu rücken. Ausgezeichnet werden Museen, die sich mit gelungenen Ausstellungsprojekten z. B. zur Orts-, Regional- oder Landesgeschichte, mit innovativen Vermittlungsideen, interessanten digitalen Angeboten, erfolgreichen Partizipationsprojekten, gelungenen Maßnahmen zur Umsetzung der Barrierefreiheit, außergewöhnlichem gesellschaftlichen Engagement, beispielhaften Projekten zum Sammlungserhalt oder zur Sammlungserschließung oder bemerkenswerten Projekten generationenübergreifenden bürgerschaftlichen Engagements hervortun.
Der Museumsverband Rheinland-Pfalz trifft eine Vorauswahl aus den mit Projektfördermitteln des Landes Rheinland-Pfalz unterstützten nichtstaatlichen Museen. Die Mindestanforderungen an ein Museum müssen erfüllt sein. Alle ausgezeichneten Museen im Überblick gibt es auf der Webseite des Museumsverbands Rheinland-Pfalz: Museumsverband Rheinland-Pfalz | Museum des Monats (museumsverband-rlp.de)