Das Industriedenkmal Jakob Bengel in Idar-Oberstein ist ein einzigartiges Zeugnis der rheinland-pfälzischen Industriegeschichte. Die ehemalige Ketten- und Bijouteriewarenfabrik dokumentiert die Blütezeit der Modeschmuckproduktion zwischen 1870 und 1990. Im denkmalgeschützten Fabrikensemble werden original erhaltene Maschinen, historische Schmuckstücke und – im Rahmen regelmäßig wechselnder Sonderausstellungen – zeitgenössisches Schmuckdesign präsentiert. Führungen sowie Workshops machen Industriegeschichte erlebbar. Mit seiner faszinierenden Industriegeschichte, dem Fokus auf die historische Schmuckherstellung und der Verbindung zu zeitgenössischem Schmuckdesign bewahrt das Industriedenkmal Jakob Bengel die Vergangenheit und blickt zugleich in die Zukunft.
Das Museum ist vom 15. März bis 15. November dienstags bis sonntags von 10:00 bis 17:00 Uhr geöffnet. Führungen mit Präsentation der funktionstüchtigen Maschinen finden an allen Öffnungstagen um 10:00 Uhr, 11:15 Uhr, 13:15 Uhr, 14:30 Uhr und 15:45 Uhr statt. Teile der Sammlungen sind online über das Portal „Museum Digital” zugänglich.
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Das denkmalgeschützte Gebäudeensemble umfasst die 1873 erbaute Fabrik, Arbeiterwohnungen von 1892 sowie die 1911 errichtete Fabrikantenvilla im Jugendstil. Die architektonische Einheit spiegelt die Verbindung von Arbeiten und Wohnen wider und zeugt in ihrer wirtschaftlichen und sozialgeschichtlichen Bedeutung von der einst herausragenden Stellung Idar-Obersteins in der Schmuckherstellung. Auch der historische Garten, der derzeit rekonstruiert wird, ergänzt das Ensemble und lädt künftig zum Verweilen ein.
Besucherinnen und Besucher erleben im Rahmen von Führung in den original erhaltenen Fabrikationsräumen hautnah, wie aus Draht eine Kette und daraus ein Schmuckstück entsteht. 40 funktionsfähige Kettenmaschinen, darunter über 100 Jahre alte Modelle, sowie Friktionsspindelpressen, Ziehbänke und Walzen machen den industriellen Fertigungsprozess greifbar. Die Maschinen stehen beispielhaft für den Übergang von traditioneller Handwerkskunst zur industriellen Massenfertigung, die den Modeschmuck aus Idar-Oberstein weltweit bekannt machte.
Die Führungen finden an allen Öffnungstagen um 10:00 Uhr, 11:15 Uhr, 13:15 Uhr, 14:30 Uhr und 15:45 Uhr statt.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich Idar-Oberstein zu einem Zentrum der Modeschmuckproduktion. Aus einer hausindustriellen Fertigung entstanden zunehmend mechanisierte Werkstätten und Fabriken. Die maschinelle Fertigung ermöglichte eine kostengünstige Herstellung und führte zur Expansion in den internationalen Markt. In der Blütezeit der Schmuck- und Metallwarenindustrie waren im Stadtteil Oberstein einschließlich der Heimarbeiter etwa 5.000 Menschen beschäftigt. Tausende Menschen, auch ungelernte Arbeitskräfte und darunter insbesondere Frauen, waren von der Schmuckproduktion abhängig. Heute ist dieser spezielle Industriezweig, der seine Grundlage in der Massenfertigung hatte, aufgrund des weltweiten Wettbewerbs an diesem Standort nicht mehr konkurrenzfähig. Mit dem Niedergang der heimischen Schmuckindustrie stellte auch Jakob Bengel 1993 die Produktion ein.
Das Erbe der damaligen Arbeitswelt lebt vor Ort weiter: Die firmeneigenen Maschinen, Werkzeuge und Muster, die die Grundlage für diesen Industriezweig bildeten, konnten erhalten werden. Eine Dauerausstellung veranschaulicht die Entwicklung der Arbeitstechniken, beleuchtet ökonomische und sozialgeschichtliche Entwicklung sowie die Arbeits- und Lebensbedingungen von Industriearbeiterinnen und Industriearbeitern in der Branche.
Die Firma Jakob Bengel, 1873 gegründet, machte sich schnell einen Namen in der Modeschmuckproduktion. Die Schmuckstücke wurden in Kaufhäusern weltweit verkauft, was sie zu einem erschwinglichen Luxus für eine breite Käuferschicht machte. Bereits in der zweiten Generation expandierte das Unternehmen international. In den 1920er- und 1930er-Jahren prägten Entwürfe im Art-Déco- und Bauhaus-Stil die Produktion – eine Kollektion entstand sogar im Auftrag von Coco Chanel. Der Schmuck bestand aus verchromtem Metall und dem heute kaum mehr bekannten Kunststoff Galalith. Die einzigartige Gestaltung und Verarbeitung von schmuckuntypischen Materialien machen die Firma Jakob Bengel bis zum heutigen Tag weltweit bekannt.
Doch nicht nur die Entwürfe aus den 1920er und 1930er Jahren, sondern auch die Verwendung neuer Materialien trugen dazu bei, dass Jakob Bengel immer wieder neue Trends setzte. Mit der Einführung von Eloxal, einem farbigen Aluminium, begann in den 1950er-Jahren eine neue Ära der Schmuckproduktion. Ein neuer, innovativer Fertigungsprozess ermöglichte es, Aluminium in verschiedenen Farben zu erzeugen, was dem Modeschmuck völlig neue Gestaltungsmöglichkeiten bot. Die leuchtenden, glänzenden Farben und das leichte Gewicht des Eloxal-Materials machten es ideal für den Schmuckmarkt, da es sowohl praktisch als auch ästhetisch ansprechend war.
Heute dient das Industriedenkmal als kulturelle Begegnungsstätte. In Kooperation mit dem Campus Edelstein und Schmuck werden regelmäßig Ausstellungen zeitgenössischer Schmuckkunst von international tätigen und renommierten Schmuckgestalterinnen und Schmuckgestaltern gezeigt. Die historischen Fertigungsstätten bieten dabei eine einmalige Kulisse für die Auseinandersetzung mit Schmuckgestaltung in Vergangenheit und Gegenwart. In der Fabrikantenvilla Bengel, die als Zentrum für Schmuckdesign dient, finden darüber hinaus Veranstaltungen, Vorträge und Workshops statt, die eine Brücke zwischen traditioneller Handwerkskunst und modernen Gestaltungstechniken schlagen.
Bengel macht Schule: Das Museum bietet außerdem speziell für Schulklassen und Studierende konzipierte Programme, die nicht nur die industrielle Entwicklung, sondern auch die wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen des 19. und 20. Jahrhunderts vermitteln. Anhand der original erhaltenen Maschinen und Werkzeuge wird die industrielle Schmuckproduktion anschaulich erklärt. In praktischen Workshops können Besucherinnen und Besucher eigene Ketten und Anhänger fertigen und so selbst erfahren, wie die handwerkliche Arbeit mit maschinellen Prozessen verbunden wurde.
Die Auszeichnung „Museum des Monats“ ist mit 1.000 Euro dotiert und wird seit August 2022 vom Ministerium für Familie, Frauen, Kultur und Integration Rheinland-Pfalz ausgelobt. Sie hat zum Ziel, die Museumsarbeit vor allem kleiner und mittelgroßer Museen landesweit in den Fokus rücken. Ausgezeichnet werden Museen, die sich mit gelungenen Ausstellungsprojekten zur Orts-, Regional- oder Landesgeschichte, mit innovativen Vermittlungsideen, interessanten digitalen Angeboten, erfolgreichen Partizipationsprojekten, gelungenen Maßnahmen zur Umsetzung der Barrierefreiheit, außergewöhnlichem gesellschaftlichem Engagement, beispielhaften Projekten zum Sammlungserhalt oder zur Sammlungserschließung oder bemerkenswerten Projekten generationenübergreifenden bürgerschaftlichen Engagements hervortun. Unterstützt wird das Kulturministerium bei der Auswahl der Auszeichnungen vom Museumsverband Rheinland-Pfalz. Alle ausgezeichneten Museen im Überblick gibt es auf der Webseite des Museumsverbands Rheinland-Pfalz:
Museumsverband Rheinland-Pfalz | Museum des Monats