28.9.2024–15.6.2025
15. Westerwaldpreis
Keramik Europas
Keramikmuseum Westerwald

Ein Ausstellungsraum im Keramikmuseum Westerwald. Auf dem Boden stehen verschiedene Keramikskulpturen.
© Keramikmuseum Westerwald
Der Westerwaldpreis wurde 1973 ins Leben gerufen, um herausragende keramische Arbeiten im Rahmen eines Wettbewerbs und einer Ausstellung zu präsentieren.

Er fördert den Dialog von Keramik und Kunst in der Region und pflegt den kulturellen Austausch innerhalb Europas.

Für die nunmehr 15. Edition des Westerwaldpreises wurde ab Oktober 2023 auf einem Online-Portal eine große Anzahl an Arbeiten hochgeladen. Die Jury verbrachte mehrere Wochen damit, die 3192 Bilder aller 1064 Werke von 627 anonymisierten Bewerbungen zu sichten. Daraus wurden in einer ersten Auswahl 90 Werke von 74 Personen nominiert. Nachdem diese über ihre Kandidatur informiert worden waren, machte sich eine Karawane von Kurieren und Speditionen aus allen Teilen Europas auf den Weg ins Keramikmuseum. Hier packte das Team die Werke mit größter Sorgfalt aus, einige Stücke wurden fachmännisch restauriert, die Kisten wurden eingelagert und die Werke in unserem größten, nunmehr geschlossenen Ausstellungsraum aufgestellt. 

Anfang Juni 2024 reiste die internationale Jury nach Höhr-Grenzhausen und prüfte zwei Tage lang die künstlerische und handwerkliche Qualität jedes einzelnen Werks.

Im Bereich des Förderpreises ist auffallend, dass die Bewerbungen nicht, wie gewohnt, hauptsächlich aus den drei bekanntesten Keramikklassen Deutschlands, sondern aus 31 verschiedenen Bildungseinrichtungen in Europa kamen. Es ist erfreulich zu sehen, dass der Werkstoff Ton bei Studierenden keine Hemmungen mehr hervorruft. Bei der Auswahl des künstlerischen Materials Hierarchien zu berücksichtigen, ist ihnen völlig fremd. Keramikprofessuren bleiben jedoch rar und ihre Lehrgebiete werden immer allgemeiner formuliert. Dennoch verfügen viele Kunsthochschulen über eine Keramikwerkstatt. So hat sich vielerorts die Aufgabe der Vermittlung des Materials und der Pflege des Keramiknetzwerks von den Lehrstühlen zu den Werkstätten verschoben. Und wie man sieht, gelingt es dort, die Begeisterung für die Keramik weiterzugeben. Loben sollte man hier den unermüdlichen Einsatz der vielen Werkstattleitungen, die mit viel Geduld eine neue Generation an den uralten Werkstoff heranführen und fachlich zur Seite stehen. Bei der grenzenlosen Experimentierfreude, manchmal unbeschwert frei von jeglichem Fachwissen, ist das eine äußerst verantwortungsvolle Aufgabe.

Die Bewerbungen um den Preis der Stadt Höhr-Grenzhausen für salzglasierte Keramik belegen, was eine nachhaltige Förderung der heimischen Traditionen bewirken kann. Seitdem das Institut für künstlerische Keramik und Glas der Hochschule Koblenz in Kooperation mit der Stadt und dem Keramikmuseum alle zwei Jahre den letzten funktionstüchtigen Kannofen auf seinem Gelände brennt, hat sich erfreulicherweise das Durchschnittsalter der Bewerbungen um diesen Preis um etliche Jahren nach unten verschoben. Auch die Anzahl an Bewerbungen konnte sich durch die vielen internationalen Beteiligungen an diesem Kannofenbrand insgesamt etwas erhöhen. Es ist jedoch zu hoffen, dass für den nächsten Wettbewerb noch deutlich mehr Einreichungen erfolgen werden. 

Die meisten Bewerbungen wurden für die Kategorie "Freie Keramik" eingereicht. Sie zeigen die große Bandbreite an künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten. Neben vielen gestandenen Vollblutkeramikerinnen und -Keramikern gibt es eine immer größer werdende Zahl von Kunstschaffenden, die mit mehreren Medien arbeiten. Besonders interessant sind Arbeiten, in denen Gestaltungsprinzipien und Handwerkstechniken anderer Gattungen, wie z. B. der Textilkunst, angewandt werden. Ein offener Blick wirkt befruchtend und führt zu spannenden Werken. 

Die komplexe und verhärtete Situation unserer Welt und unseres kleinen Kontinents verlangt heute mehr denn je Dialog und kulturellen Austausch, was bei der Gründung des Westerwaldpreises vor 50 Jahren so ausdrücklich gewünscht wurde. Wo Worte ihre Kraft und Bedeutung verlieren, kann die Kunst sprechen. Sie hat ihre eigenen Möglichkeiten, um Vielschichtigkeit sichtbar zu machen, Geschehenes zu kommentieren oder Gedanken zu verbinden. In diesem Sinne dankt die Jury dem Westerwaldkreis, der dieser Sprache seit einem halben Jahrhundert einen Raum bietet.