Nach einem Jahr mit coronabedingten Schließungen haben die Museen große Pläne: Das Arp Museum Bahnhof Rolandseck eröffnet das Museumsjahr 2022 und zugleich sein Themenjahr „Wegweiseinnen“ mit der Ausstellung Das sind meine modernen Frauen. Tausche Monet gegen Modersohn-Becker. Die Schau rückt die Ausnahmekünstlerin Paula Modersohn-Becker als role model in den Fokus. Im Zentrum stehen ihre spektakulären, zum Teil lebensgroßen Aktdarstellungen.
Mit „Shaping Data“ loten Künstler*innen im Rahmen der Biennale für aktuelle Fotografie aus, wie sich die weitverbreitete Nutzung digitaler Technologien auf unseren Körper auswirkt, unsere Meinungen prägt und zwischenmenschliche Beziehungen verändert. Das Ludwig Museum Koblenz feiert mit einer Jubiläumsausstellung seinen 30. Geburtstag. Und in der weltweit ersten musealen Einzelausstellung würdigt die Pfalzgalerie Kaiserslautern das vielversprechende und hochpolitische Werk der afghanischen Künstlerin, Performerin und Feministin Kubra Khademi.
Was Fußbodenheizungen, Lastkräne, Wellnessbäder oder Fruchteis mit den Römern zu tun haben, erfahren Jung und Alt ab April in der Mitmachausstellung High Tech Römer in Mainz. Und nicht zuletzt versprechen in der zweiten Hälfte des Jahres die beiden großen rheinland-pfälzischen Landesausstellungen über den Untergang des Römischen Reichs in Trier und die Dynastie der Habsburger im Mittelalter in Speyer sowie die Jubiläumsausstellung Spiel um die Macht zur Beilegung des Investiturstreits vor 900 Jahren in Worms ein spannendes Museumsjahr 2022!
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Wie unter einem Brennglas lassen sich an Modersohn-Beckers Beispiel bahnbrechende Veränderungen in der Gesellschaft und Kunst um 1900 beobachten. Entschlossen „geradeaus malend“ verfolgte sie ihren Weg unbeirrt von jeder Kritik – ein durchaus aktuelles role model bis in unsere Zeit.
Die Besucher*innen betreten zunächst einen Raum, der in seiner Farbgebung und Werkauswahl dem Atelier der Künstlerin nachempfunden ist. Ein Großteil ihrer Werke hat den Ort der Produktion nie verlassen – insbesondere die Porträts, mit denen die Malerin sich und ihre Umwelt hinterfragte. Anregungen fand sie bei den Alten Meistern in den Museen aber auch bei ihren Zeitgenoss*innen in Galerien und Privatsammlungen.
Im Zentrum der Ausstellung stehen spektakuläre, zum Teil lebensgroße Aktdarstellungen Modersohn-Beckers. Viele entstanden schon während ihres Studiums. Doch noch Jahre später griff sie immer wieder auf diese zurück und verarbeitete sie zu eindrucksvollen Leinwandbildern, die die natürliche Schönheit des Körpers feierten – die „große Einfachheit der Form“, wie sie es nannte.
Die Landschaften und Stillleben Paula Modersohn-Beckers leben von der Kraft der Stille, die sie in der Weite der Moorlandschaft und in der alltäglichen Schönheit der Dinge fand. Daneben studierte sie intensiv die lichtvollen Gemälde der Spät-Impressionisten und Nabis. Insbesondere Maurice Denis war ein großer Impulsgeber für sie. Einzigartig modern und richtungweisend ist die tiefe Verbundenheit der Malerin mit der Natur. Natürlichkeit war ihr oberstes Gebot – ob nun im Akt oder im Blick in die Landschaft. Nicht mahnend, sondern liebend suchte sie den Einklang und Gleichklang mit den Dingen und schilderte den Menschen als Teil der Natur, mit ihr verwoben und von ihr abhängig.
Wir verbringen einen Großteil unserer Zeit mit technischen Geräten und geben dabei oft persönliche Daten preis, die Algorithmen füttern. Diese Algorithmen wiederum entscheiden, was wir sehen und hören. Die unmittelbare Rückkopplung lässt uns annehmen, dass wir sowohl unser eigenes Leben als auch das Leben anderer unter Kontrolle hätten.
Die ausgewählten Künstler*innen analysieren das Verhältnis zwischen der analogen und der virtuellen Welt kritisch, indem sie für bestehende Technologien neue Anwendungen finden und Muster aufzudecken versuchen, die Künstliche Intelligenz geschaffen hat. Denn wo immer es voreingenommene Menschen gibt, gibt es voreingenommene Bilder und voreingenommene Algorithmen, die diese Bilder sortiert haben.
Die Ausstellung „Shaping Data“ zeigt außerdem Zukunftsszenarien auf, in denen unsere optimierten Körper und Leben zur neuen Norm werden. Was bedeutet es, als Mensch in einer hochgradig automatisierten Umgebung zu leben, und wie können wir Daten so verarbeiten, dass wir eine gerechtere Welt schaffen?
Mit Arbeiten von: Mónica Alcázar-Duarte, Heba Y. Amin, Alexandra Davenport, Matthieu Gafsou, Thomas Kuijpers, Yufan Lu, Paulien Oltheten, Phenomena Collective, Salvatore Vitale.
Shaping Data. Biennale für aktuelle Fotografie | Wilhelm-Hack-Museum | 19.3.2022–22.5.2022
Jung und Alt sind in Mainz dazu eingeladen, die genialen Erfindungen der römischen Antike nicht nur anzusehen, sondern auch auszuprobieren und selbst aktiv zu werden: An Mitmachstationen können Besucher*innen etwa eine römische Stadt planen, Wasser aufwärts fließen lassen, eine Brücke bauen oder römische Kurz-Nachrichten verschicken.
Für Mainz haben die Römer eine große Bedeutung. Vom Legionslager entwickelte sich Mogontiacum zum militärischen und zivilen Zentrum der Region. Aus dieser Zeit sind Fundstücke erhalten, die in der Ausstellung ebenfalls gezeigt werden. Ergänzend ist im Landesmuseum Mainz ab Frühjahr 2022 die Sonderausstellung „Avrea Magontia – Mainz im Mittelalter“ zu mehr als 800 Jahren Mainzer Stadtgeschichte zu sehen.
Unser Tipp: Die Ausstellung wird ab Juni 2022 durch eine digitale Rekonstruktion der Weltstadt Rom vor 1700 Jahren spektakulär ergänzt. Auf einem Großbild im XXL-Format und auf individuell nutzbaren Tablets können die Besucher*innen das Forum Romanum in HD-Qualität virtuell durchschreiten. Die von der amerikanischen Firma „Flyover Zone“ und Professor Bernard Frischer nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen erarbeitete CAD-Rekonstruktion macht es möglich, in das Rom von 320 n.Chr. einzutauchen..
High Tech Römer. Das Phänomen römischer Erfindungen | Landesmuseum Mainz | 12.4.2022–15.1.2023
Die Künstlerin konzentriert sich in ihren Arbeiten auf Fragen der weiblichen Identität in einer männerdominierten Gesellschaft, der Fluchterfahrung und des feministischen Widerstands im Exil. Vor allem in Malereien auf Papier zeigt sie oft humorvoll, eigentlich unaufgeregt und doch für viele provokativ den nackten weiblichen Körper in all seinen Facetten. Inspiriert von Motiven aus Religion, Mythologie und Politik erforscht sie ihre eigene Geschichte und drängt auf gesellschaftlichen Wandel. So knüpft sie an universell feministische Begehren an und kämpft derzeit besonders für aufs Neue infrage gestellte Grundrechte von Frauen in Afghanistan.
Die Werkschau mit vielfältigem Begleitprogramm und mehrsprachigem Ausstellungskatalog lädt zur thematischen Auseinandersetzung und zum Austausch ein. Ihr Titel „Kubra Khademi – Political Bodies“ reflektiert verschiedene Dimensionen der Politisierung des (weiblichen) Körpers in den Werken: Er verweist auf das Politisieren des weiblichen Körpers im Kampf gegen und für Geschlechtergerechtigkeit; auf den konkreten Einsatz des nackten weiblichen Körpers in der Kunst als feministisch-politisches Mittel; und nicht zuletzt auf die Politisierung (afghanischer) Migration und Identität.
In einem Interview in der FAZ erklärt Khademi: "Meine Arbeit entsteht tief in meiner Lebensgeschichte. Mein Körper ist das Persönlichste, das ich mit mir trage. Alles kommt von dieser Existenz, die nicht existieren sollte, die malträtiert wurde, weil sie weiblich war. Als Mädchen muss man bei jedem Schritt kämpfen, um zu beweisen, dass man nachdenken und entscheiden kann, dass man existieren darf, ohne sich dafür schämen zu müssen. Meine Kunst hat sehr viel damit zu tun. Wenn ich zurückschaue, sehe ich: Eigentlich stand alles gegen mich. Ich arbeite mit meinem Körper und male Frauenkörper, die meist nackt sind, weil ich maximal auf ihrer weiblichen Identität insistieren möchte. Sie sind triumphierend und sehr präsent."
Kubra Khademi ist 1989 in der Provinz Ghor, Afghanistan geboren. Sie studierte Bildende Kunst in Kabul, Afghanistan, und Lahore, Pakistan. Nach der Aufführung ihrer öffentlichen Performance „Armor“ (2015) in Kabul war Khademi gezwungen, ihr Heimatland zu verlassen.
Kubra Khademi. Political Bodies | mpk – Museum Pfalzgalerie Kaiserslautern | 25.6.2022–11.9.2022
Als zentrale historische Ausstellung zeigt das Rheinische Landesmuseum Trier auf 1.000m2 die entscheidende, wenn auch wenig bekannte Epoche des Römischen Reiches im 4. und 5. Jahrhundert. Mithilfe internationaler Spitzenexponate entsteht eine spannende Ausstellung, die verständlich die zahlreichen Faktoren und Ursachen illustriert, die zum Untergang des Römischen Reiches geführt haben. Sie verdeutlicht zudem, welche römischen Traditionen und Errungenschaften im Übergang zwischen prunkvoller Spätantike und vermeintlich dunklem Frühmittelalter verloren gingen oder in gewandelter Form fortleben konnten.
Das Stadtmuseum Simeonstift beleuchtet das Fortleben des Römischen Reiches in der Kunst- und Kulturgeschichte. Kunstwerke aus fünf Jahrhunderten erzählen von der Faszination für die Idee „Rom“, deren Echo bis in unsere Gegenwart reicht. Die Ausstellung zeigt eindrucksvoll, wie der Fall Roms mal als „schlimmstes Unglück“, bald als „glänzender Triumph der Freiheit“ künstlerisch immer wieder neu interpretiert, gedeutet und verarbeitet wurde. Ob die Dekadenz der Eliten, Naturkatastrophen oder Invasion – die Antworten, die man allzeit auf den Untergang Roms fand, spiegeln immer auch die Fragen wider, die die nachfolgenden Gesellschaften umtrieb.
Der Blick des Museums am Dom richtet sich insbesondere auf die Mosel- und Rheinregion von den Anfängen des Christentums bis ins 7. Jahrhundert. Die Ausstellung zeigt, wie die christliche Kirche in das Machtvakuum treten konnte, das durch den Zerfall des Römischen Reiches und durch die allmähliche Auflösung der römischen Verwaltungsstrukturen entstand. Außerdem spürt sie der Rolle nach, die die Kirche bei der Weitergabe römischer Traditionen spielte. In kaum einer anderen Stadt lassen sich die Anfänge des Christentums so gut nachvollziehen wie in Trier.
Stillleben sind ein Ort der Sehnsucht nach vollkommener Reife und nach dem Festhalten an diesem Glück. Schaut man genauer hin, so fehlt es aber nicht an Mahnungen: Ein welkendes Blatt oder eine Fliege deuten den unerbittlichen Kreislauf der Natur an. Der italienische Begriff „natura morta” legt es schonungslos offen. Dabei vermag es doch die Kunst, die Dinge „lebendig” vor Augen zu führen.
Hier nun setzt Elizabeth Joan Clarke an: Ihre Stillleben sind insofern keine Augentäuschung, als es Fotografien „echter” Inszenierungen sind. Die Muscheln, Gläser, Früchte und anderen Dinge haben in ihrem Studio tatsächlich so dagelegen, auf diesen Marmortischen und in diesem Licht. Sie sind Zeugnisse bestimmter, realer Momente. Zugleich sind sie ganz und gar künstlich, indem sie Kunstobjekte vergangener Zeiten mit der Frische der Natur zu neuem Leben erwecken. Und ja, natürlich auf schönste Weise die Augen täuschen.
Noch vor der Eröffnung des Koblenzer Ludwig Museum im Jahr 1992 wurde das bedeutende französische Künstlerehepaar Anne & Patrick Poirier seitens des Museums eingeladen, eine neue Skulptur für den Außenbereich zu entwickeln. Mit Blick auf die inhaltliche Ausrichtung des zukünftigen Museums – vor allem als Plattform des Dialogs – hätte die Wahl kaum passender sein können: Anne & Patrick Poirier treten mit ihren Arbeiten für die Reflexion als künstlerischen Dialog ein und laden damit über das Erinnern und Erspüren von Vergangenem ein, gedanklich weiter vorzudringen, zu forschen und reflektierend das Zukünftige in den Blick zu nehmen.
In der von Anne & Patrick Poirier konzipierten Jubiläumsausstellung wird über ihrem bekannten Motiv der Mnemosyne, das unter anderem zurückgeht auf Aby Warburgs „Bilderatlas“, der Begriff der Fragilité – der Zerbrechlichkeit – stehen. Er kreist im Ludwig Museum um die Zerbrechlichkeit der Kultur, um das kollektive Gedächtnis der Gesellschaft, aber auch um die hinterlassene Welt der Objekte und der Natur. Die Rückschau auf die imaginativen Orte der Antike (als Orte des kollektiven Erinnerns) wird mit der Welt des Digitalen (als Orte der Gegenwart und Zukunft) kontrastiert. Den Blick in zukünftige Welten gestalten die beiden Franzosen als vollkommen weißen Raum.
Mit dem Austausch des „Wormser Konkordats“ am 23. September 1122 zwischen dem römisch-deutschen Herrscher Heinrich V. und den Legaten des Papstes in Worms, einem der Zentralorte des mittelalterlichen Reiches, fand ein seit Jahrzehnten schwelender Konflikt zwischen Papst und Kaiser um die Vorherrschaft, der sogenannte Investiturstreit, seinen Abschluss. Der Vertrag hatte nachhaltige Folgen für Königs- und Reichsherrschaft einerseits und die Kirche andererseits.
Das im Investiturstreit vom Papst infrage gestellte Recht auf die Einsetzung von Bischöfen durch den Kaiser war von herausragender Bedeutung für die Stellung des Kaisertums: Für die regierenden Könige bzw. Kaiser waren die Bischöfe – neben ihrer Rolle als Geistliche – zentrale „Säulen der Macht“. Durch das „Wormser Konkordat“ wurde die bis dahin bestehende Einheit von Kaiser- und Papsttum aufgehoben, worunter die sakrale Aura des Kaisers stark litt. Dies sollte zur Neuorientierung der Idee des Kaisertums unter den Staufern führen.
Das Museum der Stadt Worms im Andreasstift zeigt vom 24. September bis 30. Dezember anlässlich des Jubiläums die Sonderausstellung „Spiel um die Macht. Von Canossa nach Worms“. Die spannende Geschichte rund um den Investiturstreit wird dabei modern und spielerisch in Form einer Graphic Novel im Stil von „Banksy“ erzählt. Besucher und Besucherinnen erfahren alles über die Hintergründe des Konflikts, den Gang nach Canossa und die teils blutigen Auseinandersetzungen. Wer möchte, kann sich mit einem „Escape Spiel“ für's eigene Handy durch die Ausstellung navigieren. Geschichte wird hier einmal anders erlebbar, passend auch für jüngere Zielgruppen und Familien. Klassische Exponate und ein museumspädagogisches Begleitprogramm runden das Angebot ab.
Der mittelalterlichen Herrscherdynastie der Habsburger ist in Deutschland bundesweit noch keine große Mittelalterausstellung gewidmet worden, die vergleichbar wäre mit den bedeutenden Gesamtschauen zu den Karolingern, Ottonen, Saliern, Staufern oder Wittelsbachern. Als einziger außerösterreichischer Grablegeort mittelalterlicher Habsburger ist Speyer unter Deutschlands Museen- und Ausstellungsorten in ganz besonderer Weise geeignet, den Aufstieg der Dynastie von Rudolf I. bis Maximilian I. nachzuzeichnen.
Die Dynastie der Habsburger prägte über Jahrhunderte die Geschicke Europas. Die Wurzeln der Familie, die als „Haus Österreich“ bekannt wurde, liegen jedoch unter anderem im Südwesten Deutschlands. Rudolf I., der 1273 als erster Habsburger zum König des Heiligen Römischen Reiches gewählt wurde, legte den Grundstein für den Aufstieg vom Grafen- zum Kaiserhaus. Als er am 15. Juli 1291 in Speyer starb, wurde er beigesetzt „wo mehr meiner Vorfahren sind, die auch Könige waren“, im Kaiserdom zu Speyer.
Die Ausstellung nimmt ihren Ausgangspunkt in der Grablege Rudolfs I. und seines Sohnes Albrechts I. und erzählt darauf aufbauend die Geschichte der Habsburger im europäischen Mittelalter. Sie folgt den Kämpfen um die Königsherrschaft im 13. und 14. Jahrhundert, dem Erstarken des Hauses Österreich im Schatten der Krone bis zur Rückkehr auf den Thron und schließlich im 15. Jahrhundert Maximilian I. auf die Bühne Europas. Die Besucher*innen erwarten 300 Jahre Reichsgeschichte, die zugleich von persönlichen Erfolgen mit schicksalhaften Umwegen und Brüchen erzählt.